Why whatever is, is right and why we still can improve it?
Jonas Lüscher erzählt die Geschichte eines Professors für Rhetorik, dessen gefühlte Omnipotenz zu bröckeln beginnt, als er sich der Herausforderung einer Preisfrage zur Rechtfertigung der besten aller Welten stellt.
Die Theodizee wird in Lüschers Roman gekreuzt von einer Oikozidee – die freie Hand des Marktes nutzt allen, auch den Ärmsten – und einer Technozidee – die technischen Entwicklungen sind in allen Fällen ein Voranbringen der Menschheit – leider überall mit dem Problem, das wir schon bei Gott hatten: wie kann man die begleitenden Übel rechtfertigen und trotzdem behaupten … Nun denn, in der Technozidee sieht Kraft nicht als größtes Problem, dass der Mensch sich selbst zum Gott macht – sofern er es auf sich bezieht. Es kommen ihm aber auf seiner Reise nach San Francisco und in der Begegnung mit dem amerikanischen Internet Mogul, der das Preisgeld auslobt, erhebliche Zweifel an seinem bisherigen Weltbild.
Zunehmende Selbstzweifel führen ihn in die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, im besonderen mit seiner Beziehungsvergangenheit und es ist die überraschende Erklärung einer früheren Geliebten, die das gesamte Gefüge seines Selbstkonstrukts und seines Weltkonstrukts schließlich zum Einsturz bringt: er hat sich ganz einfach aber vollkommen überschätzt. Sinnbildlich vermag er es nicht anders zu fassen, als in einer Vision eines vom Erdbeben zerstörten San Fransisco und von der einsetzenden Flutwelle überrollten Silicon Valley. Die Zukunft wird von einer archaischen Kraft aus den Fugen gehebelt. Diese Vision entsetzt ihn ent setzt alle seine neoliberalen Setzungen, auf denen er seine Haltung der Welt und seinen Nächsten gegenüber immerfort über sich selbst und sich selbst hinein schwafelnd aufgebaut hatte. Vielleicht ist auch der Internet Mogul und Preisgeldauslober sein Spiegelbild, das ihn so entsetzt, dass er sich selbst fremd wird.
Eine sehr intelligent geschriebene Männergeschichte um einen Schwadronierer, der wenig Raum für Sympathie lässt. Es werden viele grundsätzliche Themen andiskutiert. Und es ist nach wie vor schwer aushaltbar, dass in der Realität von solchen Schwätzern, die nicht einmal wirklich aus Überzeugung zu dem stehen, was sie einflussnehmend verbreiten, sondern aus purer Selbstgefälligkeit, die Lebensrealität im politischen und wirtschaftlichen Bereich gestaltet wird. Das tröstliche an dieser Geschichte ist das donnernde Scheitern dieser Figur.
Diese sehr ausführliche Buchbesprechung von Claudia vom Grauen Sofa hat mich zu diesem Roman angeregt.
Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2017
Jonas Lüscher: Kraft. Verlag C.H.Beck; München 2017
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