Tomás Sedlácek: Die Ökonomie von Gut und Böse.

Tomás Sedlácek. Die Ökonomie von Gut und Böse. Hanser Verlag, München, 2012

Inhalt
Einführung
Teil 2. Ökonomie in früheren Zeiten: Das Gilgamesch-Epos
Teil 3: Das antike Griechenland
Teil 4: Das Christentum: Zahlt das Gute sich aus?
Teil 5: Neuer Adam und Sabbatökonomie
6.ter und letzter Teil

Einführung

In unserem Konjunkturzyklus gibt es keine Vorratsvorsorge mehr, nur noch Schulden auf zukünftige Arbeitsleistung und Ressourcenertrag: „Wir brauchen Defizite selbst in Zeiten von Überschüssen“ (308) Was für eine widersinnige Wirtschaftsform. Tomás Sedlácek hat nach der letzten Weltfinanzkrise 2008/09 ein Buch darüber geschrieben, wie sich die ökonomischen Modelle, unter deren Fuchtel wir leben, im Laufe einer langen Geschichte ihrer Entwicklung aus philosophischen und religiösen Wurzeln heraus mehr und mehr entfernt haben von dem, was sie ursprünglich sein sollten: Modelle für ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaftsform, die unsere existentiellen Bedürfnisse hilft zu befriedigen und in der es allen besser geht durch vernünftiges, kooperatives Wirtschaften. Wir brauchen eine Neuorientierung, die nach Sedlácek nur bedeuten kann, dass wir unter Rückbesinnung auf das, was den Menschen unserer Ansicht nach ausmacht, die heiligen Kühe des kapitalistischen Wachstumswahnsinns schlachten.

Wie kommt ein Ökonom dazu, die Wirtschaftssysteme im historischen Rückblick anhand philosophischer Kategorien zu untersuchen oder gar zu beurteilen? Ein gewagtes Unterfangen! Tomás Sedlácek bemüht in seinem Buch eine ganze Serie an Geisteswissenschaften: Philosophie, Theologie, Anthropologie, Geschichte, Psychologie, Soziologie, Ökonomie, u.a., um daraus eine metaökonomische Analyse als Kritik am herrschenden ökonomischen Paradigma zu formulieren.

„Was ist der Mensch?“ Allen Modellen und Theorien vorausgehend ist ein bestimmtes Menschenbild, ein Weltbild, eine Verhältnismäßigkeit. Zusammenfassend ist die Richtung des Buches eine Untersuchung der Frage: „Was ist der Mensch, was ist das den Menschen Kennzeichnende, in welchem Verhältnis steht er zur Welt und welche Bedeutung hat dies für die Ökonomie?“ In Hinblick auf die modernen Wirtschaftsverhältnisse wird hier ganz klar Kritik formuliert an einem Sozialdarwinismus, an Binsenwahrheiten, die angebliches Gemeinwohl rechtfertigen und an einseitigen Theoriemodellen, die den Menschen reduzieren. Und am Ende wird es interessant wenn Sedlácek fragt: „Was ist der Mensch unserer Ansicht nach?“ Denn das erfährt man im Laufe der Auseinandersetzung: es gibt weder ein ausreichend differenziertes und dabei definiertes Menschenbild, noch ist das Verhältnis, in das sich der Mensch zur Welt setzt, eines, das mathematisch-methodische Voraussagen für eine marktwirtschaftliche Zukunftsentwicklung erlaubt. Das Buch schließt mit einer Aufforderung: Noch mal zu überdenken  „Was ist der Mensch unserer Ansicht nach?“ und anschließend daran vielleicht: Was kann man wünschen, das er nach unserer Ansicht sei?

Ob dabei allerdings wirklich die Wertkategorien Gut und Böse hilfreich sind, ist fraglich. Es sind Scheinkategorien, die einfache Antworten suggerieren. Auch wenn er immer wieder auf moralische Kategorien rekuriert, Sedlácek folgt zum Glück nicht einem einfachen Schema der Bewertung.

Sedlácek setzt an mit menschlichen Begierden, was sind die Triebkräfte des Menschen? Bei der rückblickend betrachteten Entwicklung der ökonomischen Systeme stellt sich immer wieder der Bezug zu einem Grundtrieb her: dem Eigeninteresse. Im Zusammenhang mit den Kategorien Gut und Böse wird dieses Eigeninteresse lediglich begrenzt von der Frage, ob es sich auszahlt, gut zu sein. Oder ist das Gute eine Setzung, die sich nicht innerhalb der ökonomischen Systeme diskutieren lässt? Der moderne homo oeconomicus ist einseitig ausgerichtet, hat viele Facetten des Menschseins ausgeklammert. Nach Sedlácek wurde das Hauptgewicht auf die Mathematik gelegt, die altertümliche Verbindung von Mathematik und Philosophie ist uns abhanden gekommen.

Die Pythagoreer wollten die Welt auch mit Zahlen beschreiben, gaben aber den Zahlen Eigenschaften und verbanden sie mit Wertsetzungen. Mithilfe unserer Zahlensysteme hat sich die Ökonomie auf mechanistische Weltdeutung reduziert. Sedlácek bietet kontroverse Ansichten, die zu Überlegungen anregen, ob und wie die Ökonomie wieder angereichert werden könnte. Seine Fragen:

Was ist der Sinn der Ökonomie?

Wie können wir sie praktisch nutzen?

Wie können wir auf verständliche Weise Verbindungen zu anderen Gebieten herstellen? S. 29

Exkurs: E.O.Wilson (2013): Die soziale Eroberung der Erde – eine biologische Geschichte des Menschen. Verlag C.H. Beck, München.

Wilson vergleicht zwei erfolgreiche Spezies: die Insekten und die Menschen. Dabei gibt es viele Ähnlichkeiten in der Eusozialität, das heißt, der Art und Weise der Gemeinschaftsbildung, der Arbeitsteilung, der Bedeutung des Gemeinschaftssinns in bestimmten Bereichen, usw.

Und es gibt gravierende Unterscheide, z.B. in der Dauer unseres Daseins auf der Erde. Während die Insekten seit Jahrmillionen beinahe unverändert hier leben, blicken wir auf wenige zig Jahrtausende Menschheitsgeschichte zurück. Doch der bedeutendste Unterschied: Unsere Entwicklung, die unserer Hand-Werkzeuge und des Gehirns, ging in rasantem Tempo von statten. Wo sich andere Spezies allmählich, mit der Natur gemeinsam verändert haben, hat der Mensch seine Entwicklungsschritte allein vollzogen, ohne dass die Natur Schritt hätte halten können. Deshalb stehen wir nicht in einem interdependenten Verhältnis zur Natur. Die Natur braucht die Insekten, uns aber nicht.

Dieses unser Gehirn befähigt uns zu unglaublichen Leistungen. Doch die Intelligenzentwicklung ist so schnell vorangeschritten, dass der Triebanteil nicht mithalten konnte. Das bedeutet: Wir sind zu intelligenten Leistungen und Überlegungen in der Lage, die die Welt verändern, und unterliegen im entscheidenden Moment doch immer unserer Triebnatur. Deshalb ist all das, was die Menschheit an überragenden Entwicklungen hervorbringt, am Ende für alle anderen Arten und für sie selbst ein riesiges Unglück. Egoismus und Selbstlosigkeit gehen Hand in Hand. „Wir sind ein revolutionäres Mischwesen, eine Chimärennatur, wir leben dank unserer Intelligenz, die von den Bedürfnissen des tierischen Instinkts gesteuert wird.“ S.23

Was also ist der Mensch, eine Chimäre?

Was ist Gut und Böse?

Gut und Böse sind keine Eigenschaften von Dingen, Menschen, Handlungen, sie entstehen im moralischen Bewusstsein jedes Einzelnen aus vielerlei Zusammenhängen. Im Zusammenhang mit Sedlácek muss gefragt werden, ob das Gute oder das Böse nur innerhalb des menschlichen Bewusstseins existiert, ob es angeboren ist, ob es veränderbar ist und welche Rolle hier das Verhältnis Mensch und Welt spielt. Ist der Kosmos ein vollendetes Ganzes, welchen Platz hat darin das Böse? Ist der Mensch verantwortlich für das Böse?

Wenn das Böse keine normative Bedeutung hat, sondern nur deskriptive, etwas spezifisch menschlich Strukturelles beschreibende Bedeutung hat, dann könnte doch das Böse genauso gut das Gute sein. „Gut und Böse als moralische Formen von Selbstbestimmung sind nur Scheinkategorien, die von den Genen erfunden wurden, um mittels Wertvorstellungen und Normen das Verhalten menschlicher Organismen strategisch günstig zu regulieren.“ (Annemarie Piper (1997). Gut und Böse, Verlag C.H. Beck, München, S.25)

Die philosophischen Deutungen von Gut und Böse rekurrieren auf verschiedene Bereiche. In Platons Ideenlehre hält sich die Seele entweder im Jenseits auf, wo sie die Ideen schaut (das Gute), oder im Diesseits, wo sie Verantwortung dafür trägt, ihre Harmonie wieder herzustellen. Ihr eigentlicher Ort ist das Jenseits, doch die Seele ist dreigeteilt in einen  gehorsamen Teil, einen begehrlich-ungebärdigen und einen vernünftig lenkenden Teil. Wenn die Harmonie aus den Fugen gerät und der Lenker die Zügel schießen lässt, fällt die Seele ins Diesseits. Der Grund für den Affekt, der den Sturz verursacht, bleibt unklar. Doch Aufgabe ist es nun, für dieses Leben im Körper, das Strafe ist, die Chance zu ergreifen, über praktische Urteilskraft das Gute zu erkennen und so der Seele wieder zur Harmonie zu verhelfen.

Das Böse wird bei Platon wie Aristoteles durch das Gute erklärt. Es geschieht aus Unwissenheit, nicht willentlich, ist in diesem Sinne missglücktes Gutes. Es ist eine Negation, es ist das, was nicht gut ist.

Spinoza erklärt: Wenn Gott alles in sich enthält, wenn ihm als unendliche Substanz alles immanent ist, fällt in ihm alles zusammen in Eins. Im Menschen als zusammengesetzten Wesen (Körper-Geist) fällt alles auseinander, das Böse wird zum unvorhersehbaren Nebeneffekt.

Nach Leibniz’ Theodizee, die eine Rechtfertigung Gottes versucht über diese Welt als die bestmögliche aller Welten, entsteht das Böse aus der menschlichen Freiheit heraus, doch dies ist in Kauf zu nehmen als kleineres Übel. Lieber das Böse aus Freiheit als keine Freiheit!

Als moralische Regel kann ich nur wollen, dass Menschen gerecht handeln (Siehe Kant: Kategorischer Imperativ). Allein der Wille entscheidet nach Kant über gut und böse. Das Gute ist auch nicht das Gute, wenn es sich nicht auf der Basis des guten Willens einstellt. Dieser Wille wiederum basiert auf der menschlichen Freiheit und Entscheidungsfähigkeit. Gute oder böse Maximen können gesetzt werden aus einer Freiheit heraus.

„Gut und Böse werden jedoch nicht durch eine auf den Willen von außen einwirkende Ursache erzeugt, sondern der Wille selber bestimmt sich durch sein Wollen als guter oder böser Wille.“ (Ebd., S.78)

Wie kann man also Bedingungen schaffen, die das Gute fördern, das Böse verhindern?

Nach Sedlácek müsste man die moralischen Kategorien womöglich wieder mit definierten Werten füllen und die Bedingungen dann auf diese Wertsetzungen hin überprüfen.

Doch: Wie viel Freiheit verträgt das Gute? Und: Wie viel Gutes verträgt die Freiheit?

Reicht der gute Wille aus, um zwischen Jekyll and Hyde zu wählen?

Als erstes Kapitel untersucht Sedlácek das Gilgamesch Epos.

Was ist der Mensch? Ein zusammengesetztes Wesen aus Triebnatur, Machtbedürfnis, Intelligenz und Weisheit. Wenn im Einzelnen ein Anteil überhand gewinnt, wird schnell aus der Utopie der menschlichen Gemeinschaft eine Dystopie. Gilgamesch wird zum Tyrann. Und am Ende ist es die Liebe zum Freund, die ihn verändert, nicht die Vernunft.

Teil 2. Ökonomie in früheren Zeiten: Das Gilgamesch-Epos

Über das Gilgamesch Epos versucht Sedlacek darzustellen, dass die frühesten ökonomischen Zusammenhänge bereits darauf verweisen, dass der Mensch selbst mit seinen Bedürfnissen ein Störfaktor für effizientes Arbeiten ist. Daher arbeiten alle späteren Dystopien mit dem Versuch, die Menschen zu Arbeits-Robotern zu stilisieren oder gar zu züchten. Nur im Ausklammern von Unwägbarkeiten, von Emotionen wird Leistung und Effektivität gesteigert, zwischenmenschliche Bindungen sind nicht produktiv.

Für Gilgamesch und Enkidu ist es die Freundschaft, die dazu befähigt, sich gegen die Götter zu stellen, die Natur zu überwinden, die eigenen Ängste zu besiegen. Und beide verändern sich, vom Gottwesen, bzw. Tierwesen hin zum Menschen. Der Mensch ist etwas zusammengesetztes aus verschiedenen Antrieben.

Ist die zivile Gesellschaft, die eine kontrollierbare Umgebung schafft, Verwirklichungsort für das Menschsein? Kommen wir zum Guten, zur Menschlichkeit durch Kultivierung unserer Natur? Im ökonomischen Zusammenhang werden hier frühe Grundlagen thematisiert, die unser allgemeines Verständnis von Ökonomie noch heute prägen: Die Natur ist eine Ressource, die existiert, um uns Rohstoffe zu liefern. Sie muss kontrolliert und kultiviert werden. Der Mensch ist eine Ressource, der in seiner „Natürlichkeit“ nur unzureichend zu gebrauchen ist. Er muss zivilisiert und kultiviert werden, damit die Menschheit sich weiterentwickeln kann.

Nach dem Tod Enkidus begibt sich Gilgamesch auf die Suche nach Unsterblichkeit. Die Angst vor dem Tod ist existentiell. Zumindest erlangt er durch seine Abenteuer und die Errungenschaften für seine  Stadt Uruk Unsterblichkeit im Andenken.

Text zum Epos: http://www.reclam.de/data/blickinsbuch/978-3-15-010702-7.pdf

Das Epos als früheste schriftliche Niederlegung einer Heroensage reflektiert Gedanken über das Verhältnis des Menschen zur Welt. Ob nun die Freundschaft, die Liebe der beiden Männer einer Nutzenmaximierung aus heutiger Sicht förderlich ist oder entgegenwirkt, sei dahingestellt. Gilgamesch kehrt am Ende zum Anfang zurück, alles ist in einem zirkulären Wechselspiel: Mensch, Natur, Götter.

Im 2. Kapitel zum Alten Testament findet sich nun ein anderes Verhältnis zur Zeit: Die Zeit wird zur linearen Abfolge mit ökonomisch nutzbaren Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist eine Hinführung zu unserem Verhältnis von Zeit und Geld.

Sedlacek untersucht die Einstellung der frühen Hebräer. Sie glaubten an einen Fortschritt, der sich auf das Leben im Hier und Jetzt bezog und damit zur Begründung der Wissenschaft führte. Heute soll uns dieser Fortschritt ins wirtschaftliche Paradies führen.

Die materielle Realität sei bei den Juden der Schauplatz der göttlichen Geschichte, die Erfüllung der irdischen Bedürfnisse, Reichtum sind Ausdruck der Gnade Gottes. Deshalb war es nur eine  logische Schlussfolgerung, dass Handel einen zentralen Stellenwert im Judentum bekam.

Der Mensch hat Anteil an der Schöpfung. Von Gott wird ihm die Benennung der Tiere übertragen, denn nur was benannt ist, kann erkannt werden. Hier wird nun zum ersten das Böse als Folge unmoralischen menschlichen Verhaltens aufgefasst.

Wenn das Gute der Fortschritt ist, der Wohlstand in diesem Leben, dann ist die Planung desselben aus religiösen Gründen gerechtfertigt. Der erste Konjunkturzyklus entstand aus einem Angsttraum eines Pharaos vor einer Hungersnot. Josef, der Sohn Jakobs, empfiehlt ihm Rücklagen zu bilden. Der Ansatz ist: das Prophezeite muss nicht eintreten, auch wenn die Prophezeiung selbst sich bewahrheitet. Nach diesem Muster arbeitet die heutige Ökonomie: wie können Entwicklungen, die eintreten werden, durch entsprechendes ökonomisches Handeln in ihren Folgen verändert werden? Nach Sedlacek ist die Ökonomie von allen Geisteswissenschaften am stärksten auf die Vorhersagen einer Zukunft fokussiert.

Bei den Juden sind diese Bestrebungen religiös rechtfertigbar, während das Christentum einen Asketismus im Diesseits einführt mit dem Versprechen der Belohnung im Jenseits.

Moses führte sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit. Danach hat die hebräische Lehre verschiedene Regeln aufgestellt, z.B.: es muss für die schwächeren Mitglieder gesorgt werden; nach sieben Jahren Arbeit folgt der Sabbat, das Jahr der Ruhe; Land kann nicht absolutes Eigentum sein, alle sieben mal sieben Jahre (alle Jubeljahre) sollten die Schulden gestrichen werden, fällt das Land an den ursprünglichen Eigentümer zurück.

Wirtschaftslenkung hing mit Sozialpolitik zusammen. Witwen, Waisen und Einwanderer waren unter besonderen Schutz gestellt.

Nun entwickelte sich ein neues Zahlungsmittel: Geld. Nach dem alten Testament ist es den Juden ausdrücklich verboten, von ihresgleichen Zinsen für Geldverleih zu nehmen. Geld mit Geld zu verdienen ist moralisch verwerflich. Im Laufe der Geschichte etablierte sich das Bild vom jüdischen Geldverleiher als moralisch verwerflicher Person. Mit System wurde den Juden die Ausübung anderer Tätigkeiten verboten und genau diese Aufgabe erlaubt. Im Laufe der Geschichte hat sich aber eben diese Art von Handel zum einflussreichsten Wirtschaftslenkungsmittel entwickelt.

Geld ist Vertrauenssache. Geld schafft Bindungen. Geld reist durch die Zeit, es unterliegt keinen materiellen Grenzen.

Zurückgehend auf Aristoteles ist Arbeit zunächst einmal „verwerfliche Zeitverschwendung“ und „Bürde“. Der Bürger sollte nicht arbeiten, sondern in die Lage versetz sein, geistige Fähigkeiten auszubilden. Für diejenigen, die arbeiten müssen, ist der Erwerb handwerklicher Fähigkeiten und des Tauschhandels statthaft, doch der Handel mit Geld geht wider die Natur und ist eine Zweckentfremdung des Geldes als direktes Tauschmittel.

Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist Arbeit auch im Christentum Mühsal.

Doch durch die moderne Ökonomie haben wir neben all dem vergessen, dass es einen Sabbat geben könnte, ein Sabbatjahr, ein Jubeljahr. Wir arbeiten ununterbrochen und jede Ruhepause ist unerwünschte Zeitverschwendung.

Welche Bedingungen müssten geschaffen sein, damit Fortschritt und materieller Wohlstand als „das Gute“ bezeichnet werden können?

Zahlt das Gute sich aus?

Teil 3: Das antike Griechenland

Die Ursprünge der griechischen Philosophie (Vorsokratiker, Sophisten, Pythagoreer, Thales) waren bemüht, das Wissen der Menschheit auf andere Beine zu stellen. Bis dahin wurde dem Mythos genauso viel Wahrheit zugesprochen, wie allem anderen Wissen. Fiktion bedeutete nicht erfunden, sondern hatte den Anschein von überliefertem Wissen. In der Dichtung lag Wahrheit.

Nun suchten die Philosophen nach etwas, das die Welt erklärte und das sie „beständige Wahrheit“ nannten. Einer der ersten war Thales, der die Gesetze des Universums zu erforschen trachtete. Ihm verdanken wir auch die erste Positionierung im Verhältnis Philosophie/Ökonomie: Als er dank seiner ökonomischen Kenntnisse eine reiche Olivenernte vorausberechnet hatte, kaufte er alle Olivenpressen der Gegend und verdiente sich eine goldene Nase, nur um hinterher sagen zu können, dass die Philosophie sehr wohl auch ökonomisch nutzbar sein könne, dies aber nicht Sinn und Zweck der Sache sei.

Demnach hatte schon bei den alten Griechen die Ökonomie als Teilbereich der Philosophie eine andere Zielsetzung als die Philosophie im Ganzen. Die Ökonomie stellt mit ihrer Zielsetzung nur einen Teilbereich der Philosophie dar. War sie in der Antike stärker mit den philosophischen Grundkategorien „Gut und Böse“ verknüpft?

Interessant bei Sedlacek ist die Darstellung der Staatsgeschäfte, wie Xenophon sich das vorstellte. Hier findet sich tatsächlich eine Verbindung von philosophischen Werten mit ökonomischen Zielsetzungen: Eine Ausweitung der Handelstätigkeit, die ökonomische Integration von Einwanderern (Metöken) und die Arbeitsteilung als Steigerung der Leistungsfähigkeit sind Ausdruck von Gerechtigkeitsvorstellungen.

Auch Platon entwickelt eine Staatslehre, in der Erziehung Gemeinschaftsaufgabe wird, Männer und Frauen gebildet sind und Philosophen zu den Lehrern der Menschheit werden. Ökonomisch betrachtet öffnet nun Platon die Tür zum Asketismus mit seiner Ideenlehre. Warum?

Teil 4: Das Christentum: Zahlt das Gute sich aus?

In der ökonomischen Sprache finden wir viele Worte aus dem Christentum: Schuldenerlass, Vergebung (von Schulden und Sünden). Ohne die Vergebung von Schulden würde unser Wirtschaftssystem zusammenbrechen (siehe Weltfinanzkrise).

Die Basis bilden im Christentum Transaktionen zwischen Menschen, ohne definierten Wert. Die Goldene Regel sieht vor, auf ethischer Basis der ausgleichenden Gerechtigkeit egoistische Entscheidungen einzudämmen. Wenn diese Grundsätze eingehalten würden, bräuchten wir keine Politik und keine Justiz. Wo keine Konflikte, da keine Politik, wo moralische Entscheidungen nach Gemeinwohl gefällt werden, brauchen wir kein Recht.

Das Gefangenendilemma: 2 Angeklagte werden in getrennten Räumen verhört. Würden beide leugnen, kämen sie mit je einem Jahr Haft davon. Wenn einer gesteht und den anderen dabei belastet: 0 und 25 Jahre. Versuche zeigen, dass (aus Eigennutz oder Misstrauen) meist beide gestehen und damit das Ergebnis am Gesamtungünstigsten für die Betroffenen ausfällt mit 15 Jahren für beide.

Gefangenendilemma:   Leugnen            Gestehen

Leugnen                              1  /  1                   25  /  0

Gestehen                          0  /  25                 15  /  15

Sedlacek führt das Beispiel an, um unsere persönlichen Spannungsverhältnisse zu demonstrieren, die es uns unmöglich machen, nur nach ethischen Grundsätzen zu leben.

Das Christentum/die Kirche verlagert nun die Gerechtigkeit ins Jenseits; die hiesige Welt muss für Gott abgelehnt werden. Das bedeutet, die Ökonomie von Gut und Böse findet nicht in dieser Welt statt. (Können Christen besser abspalten? Was ist gut für das Jenseits?)

Die Vergebung der Schuld und der Sünden wird nun zur Gnade Gottes.

Eigentum war bei den Hebräern ein vorläufiges, bei den Griechen ein bedingtes und ist auch nach unserem Grundgesetz (Eigentum verpflichtet) zunächst so geregelt, dass der Gedanke der Solidargemeinschaft darin zum Ausdruck kommt: in der Not ist alles gemeinsam; zum Allgemeinwohl nutzen heißt vernünftig wirtschaften: nicht aus Gewinnsucht Wohnraum leer stehen lassen oder überteuert vermieten, keine Kündigungen aus Gewinnsucht, keine überhöhten Managergehälter, statt dessen soziale Verantwortung.

Augustinus (354- 430) ließ sich nach wildem Lebenswandel 387 taufen, war welt-und leibabgewandt, verneint in seinen frühen Schriften die leibliche Geburt Christi (Befleckung).

Thomas von Aquin nivelliert dies. Auch die Materie wurde von Gott erschaffen, auch weltliche Probleme müssen gelöst werden. Das Schlechte existiert nicht an sich (Sokrates: misslungenes Gutes). Das Böse ist eine Teilmenge des Guten.

Solche Fragen haben insofern Relevanz, als sich daraus Konzepte dafür ergeben, wie viel autoritäre Lenkung eine Gesellschaft braucht (siehe auch Hobbes: Leviathan).

Hat sich die Religion ihre eigene Wirkung genommen, indem sie die ausgleichende Gerechtigkeit aufs Jenseits verlegt?

Teil 5: Neuer Adam und Sabbatökonomie

Macht uns der stetige Anstieg des BIP zufriedener? Wir haben uns dem Fortschritt verschrieben, aber kann der Fortschritt die Welt retten?

„Die wissenschaftliche Wahrheit ist also keine Sache der objektiven Beurteilung, sondern der Beurteilung durch die eigene akademische Gemeinschaft.“ (297) Das Wohlbefinden der Bevölkerung steigt zwar mit zunehmendem Wohlstand, doch schon bald nicht mehr relational zum Wachstum. Nach Aristoteles verschwindet normale Lust  angesichts von heftiger Lust, wir müssen also immer mehr haben, oder uns „bewusst werden, dass wir genug haben“ (301). Wir leiden an einem Mangel an Mangel, es werden neue Bedürfnisse geweckt, um einen Mangel zu simulieren. Es gibt genügend Alternativen zum BIP, z.B. das Modell aus Bhutan, eine Glücksökonomie.

Ungewollte Ergebnisse sind Teil sozialer Interaktionen. Die Ökonomie schaut nur auf einen kleinen Teilbereich: was an positiven Effekten für die Gesamtwirtschaft aus der egoistischen Verhaltensweise der Einzelnen hervorgeht.

Wenn man Sedlacek folgt, muss man fragen: In welches Verhältnis ist der Egoismus mit dem Verlangen nach sozialem Leben zu setzen? Wenn nicht allein ein steigendes Bruttosozialprodukt als Legitimation für ökonomische Methoden herangezogen wird, wie könnte ein alternatives Legitimationsverfahren aussehen?

http://de.wikipedia.org/wiki/Human_Development_Index

6.ter und letzter Teil

Insgesamt ist das Buch eine Provokation und Einladung, die Grundlagen für ökonomische Modelle zu überdenken, ohne konkrete Alternativen zu formulieren – was auch gut so ist und vermutlich in seinem Folgetitel „Bescheidenheit – für eine neue Ökonomie. Kritik an mathematischen Modellen“ zum Ausdruck kommt. Nach Sedlacek reduziert die Mainstream Ökonomie den Menschen auf das Motiv des Eigeninteresses und setzt Nutzen und Moralität gleich: gut ist, was nützt. Theoretische Modelle werden oft nicht an der Realität überprüft, sondern werden als konsistent erklärt, durch ihre Übereinstimmung mit einem bestimmten Welt- oder Menschenbild. Deshalb haben selbst deskriptive Modelle eine normative Grundlegung. In diesem Sinne ist nach Sedlacek auch die Ökonomie ein Glaube an unbewiesene Axiome und kommt einer Religion gleich (nach S. 373)

Wie die Physik nach einer Formel zur Erklärung der Welt sucht, so sucht die Ökonomie nach einem Prinzip für menschliches Verhalten, ohne Variabilität und Spezifizierbarkeit.

„Was würde denn mit der theoretischen Mainstream-Ökonomie passieren, wenn man die Modellannahme des homo oeconomicus aufgeben würde?“ 375 Das ganze Gerüst würde, nach Sedlácek, zusammenstürzen.

Um neue Wege einschlagen zu können, muss die Fixierung auf einzelne Modelle aufgehoben werden. Die Ökonomie ist nicht wertfrei, sondern voller normativer Setzungen.

Die Reise durch Literatur, Mythologie, Psychologie und Philosophie als maßgebliche Einflussgrößen zur Modellentwicklung in der Ökonomie bot eine Reihe von Anregungen und in erster Linie die Aufforderung, die Sozialwissenschaften wieder stärker zu Rate zu ziehen. Die Verdeutlichung von Zusammenhänge aus existentialistischer Sicht kulminiert am Ende in der Aufforderung, neu zu überdenken: „Was ist der Mensch unserer Ansicht nach?“ 405

Eine daran anschließende Frage könnte lauten: Welche Strukturmerkmale gestalten unsere Ansicht vom Menschen?

Doch das ist ein anderes Thema …

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