Mirko Bonné: Alle ungezählten Sterne

Mirko Bonné, eine meiner liebsten Autoren, hat eine Geschichte vorgelegt, in der wieder einmal Brücken eine große Rolle spielen, wie in seinem Roman „Nie mehr Nacht“. Hier nun, als sich der Brückenkommissar Dr. Benno Romik mit einer tödlichen Diagnose konfrontiert sieht und sich fragt, was diese letzte Phase wohl sein wird, wie noch leben möglich ist („Die Lebendigkeit wird Erinnerung.“ S.9 ), da sind die Brücken natürlich die beste Metapher, nach rückwärts, nach vorwärts, ins Mögliche und ins Unmögliche.

Eine Brücke hängt in seinem Wohnungsflur, sieben Meter lang – ungefähr – gebaut mit der Tochter, zu der er keinen Kontakt mehr hat und keine Brücke findet. Ereignisse, die lebensprägend waren, bleiben teilweise im Dunkeln, denn wo keine Brücke sichtbar ist, kann auch keine Klarheit über Anfang und Ende, über Gründe und Ursachen bestehen.

„Ich erinnere mich: Schon an dem Morgen, als Rebekka entbunden hatte und ich aus dem Krankenhaus ins Freie trat, wollte ich ausziehen. (Und so blieb es.) Siebzehn Jahre träumte ich tagtäglich davon, wie mein Vater von heute auf morgen Reißaus zu nehmen. Und es blieb nicht bei Träumen. Ich erinnere mich: an den Fluchtwagen, (… ) Denn ich wollte nicht ausbrechen, um allein (um für mich zu sein), ich wollte zusammen mit Vivienne alles hinter mir lassen.“ S.97

Dem Todgeweihten platzt das pulsierende Leben in die Bude. Eine junge Anarchistin, Hollie Magenta von den „Zertrümmerfrauen“ wird bei einem Brandanschlag verletzt und erobert seine Wohnung, sein Leben, seine Gedanken. Eine abenteuerliche Fahrt beginnt, bei der noch einmal neue Brücken gebaut werden.

Dr. Romik, der gelegentlich immer noch entscheidet, ob Brücken instandgesetzt oder abgerissen werden sollen, ist eine Figur, der man nahe kommt, über die man gerne noch mehr wissen würde. Die anderen Figuren, gerade die Familienmitglieder, aber auch Hollie Magenta, entziehen sich immer wieder dem Kennenlernen und machen es nicht leicht, das Interesse aufrecht zu erhalten.

Es ist nicht Mirko Bonnés bestes Buch. Meine Liebsten sind „Nie mehr Nacht“ und „Wie wir verschwinden“.

Mirko Bonné: Alle ungezählten Sterne
Schöffling & Co, Frankfurt am Main, 2023

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