Das Irrenhaus ist ein sehr unterhaltsamer Roman über einen Freizeitphilosophen, der durch eine Erbschaft in die glückliche Lage kommt, seinen Lebensunterhalt nicht mehr erarbeiten zu müssen. Und es ist ein Roman über die Verschrobenheit der Bewohner eines Mietshauses, beziehungsweise der Verschrobenheit des Erzählers, der ironisch den Ausschnitt jeder Wahrnehmung und der Interpretation von Anderen persifliert.
Der Verleger Michael Krüger schreibt virtuos, mit viel Leseerfahrung und dem Wissen um das Handwerk. Das Sujet ist bekannt: Der Protagonist schlüpft in die Rolle des Schriftstellers.
Überhaupt ist die Erzählung ein Rollenspiel. Sie erinnert mich an Max Frischs Gantenbein: „Ich probiere Geschichten an wie Kleider.“
Michael Krüger, der dieses Jahr den Eichendorff Literaturpreis bekommt, variiert dieses Thema zu einem amüsant amourösen Storyplot: eine distanzlose Studienrätin, ein völlig verzweifelter Derivatehändler, ein Möchtegerngeschäftsmann für revolutionäre Bestattungen, miteinander verstrickt in undurchschaubaren Verhältnissen. Die Bewohner des Mietshauses werden aus der Perspektive des Protagonisten allesamt als skurile Gestalten wahrgenommen, die an der Lebenswirklichkeit vorbeischrammen. Dabei enthebt sich der Protagonist jeglichen Urteils und die Variation, dass er es selbst ist, der ein Stück aus der Welt ver-rückt ist, gibt den tiefsinnigen Beobachtungen eine humorvolle Ironie.
Er wird in der leeren Wohnung eines auf mysteriöse Art verschwundenen Schriftstellers zum Beobachter seines eigenen Lebens. Auf sympathische Art relativiert er seine eigenen Erfahrungen. Gantenbein: Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Geschichte seiner Erfahrung.
Michael Krüger: Das Irrenhaus, Haymon Verlag, Innsbruck 2016
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