Im Unterschied zum diskursethischen Ansatz versucht Höffe in seinem 1987 erschienen Buch „Politische Gerechtigkeit“ eine ethische Begründung in die Diskussion um die Legitimität von Staat und Herrschaft zu bringen. Dabei ist die Argumentationsweise teleologisch ausgerichtet: neben der Frage um Kooperation oder Konflikt für die Konstitution einer Gesellschaftstheorie, stellt er die Frage des Vorrangs von Glück oder Freiheit als Ziel. Braucht eine Staatstheorie eine solche Ausrichtung? Wenn „Glück“ nicht als rein abstrakter Begriff (Inhalte diskursiv verhandelbar) stehen bleibt, sondern definiert werden soll, entstehen autoritäre Tendenzen, was ein gutes oder glückliches Leben zu sein habe. Der Glücksbringer ist der gefährlichste Weltverbesserer. Deshalb versucht Höffe, Glück und Freiheit in gegenseitiger Abhängigkeit zu platzieren. Daraus entsteht zunächst ein abwägender Widerspruch: für das gute oder glückliche Leben braucht es zunächst Strukturen, die scheinbar der Freiheit entgegenstehen.
Wenn nun über „Gerechtigkeit“ als legitimierende Strukturbedingung für eine Staatstheorie verhandelt wird, entstehen daraus „Rechte“, die nur in einem Ordnungssystem mit Zwangscharakter durchgesetzt werden können. Dieses Ordnungssystem selbst befindet sich nun in der Zwangslage, nachweisen zu müssen, dass der Zwang mehr in Richtung Gerechtigkeit ausschlägt, als die Freiheit. Dies kann nur gelingen, wenn in der Bilanzierung der Freiheiten durch den Zwang auch mehr Freiheiten entstehen, als ohne vorhanden wären. Denn Herrschaftsfreiheit ist eine Utopie. Auch im Naturzustand herrscht kein rechtsfreier Zustand, denn Menschen würden dann innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes leben und auch aus diesem ergeben sich Strukturen und Herrschaftsformen.
So versucht Höffe, die Ethik als grundlegend in der Politik verankert zu erklären und zu begründen. Gerechtigkeit als soziale Verbindlichkeit ist geschuldet und legitimiert allein die staatliche Ordnung, die dann immer die Form einer Sozialordnung annimmt.
Woher kann man die Sicherheit nehmen, dass mit teleologischen Rahmenvorstellungen und Strukturbedingungen nicht selbstredend eine sich aus der kulturellen Identität speisende inhaltliche Form der Ausrichtung vorgegeben ist? Muss sich nicht diese Sozialordnung veränderten Strukturbedingungen stellen, wenn über Gerechtigkeit und ein gutes Leben verhandelt werden soll, vor dem Hintergrund, dass jeder vierte hier lebende 25-Jährige ein Mensch mit internationalen Wurzeln ist und vermutlich anderen Vorstellungen zu diesen Begrifflichkeiten?
Artikel: Weltbürger im Allgäu
http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-weltbuerger-im-allgaeu-11945534.html
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