Niah Finnik: Fuchstteufelsstill

Schon beim Aufschreiben von Name und Titel kennzeichnet das Programm jedes Wort rot, was so viel heißt wie: „Fehler“ oder „nicht im gespeicherten Wortschatz vorhanden“. Und so liest sich das ganze Buch: die außergewöhnliche Perspektive einer Autistin, die nach einem Suizidversuch in einer Klinik Freundschaften schließt und die ständige Kollision ihrer Wahrnehmung mit der „gewöhnlichen“ Interpretation von Welt, öffnet Fenster und Türen in bisher ungekannte Gedankenkonstrukte. Wenn man hier damit anfangen möchte, außergewöhnliche Stellen zu markieren, kommt man nicht zum Lesen. Das Buch ist voller Gedankenverknüpfungen, die „nicht im gespeicherten Wortschatz vorhanden“ sind. Und trotzdem werden sie auf eine Art und Weise transportiert, dass der Leser, die Leserin sehr schnell und leicht ein Verständnis für die Figuren empfindet und in ihrer Infragestellung der „gewöhnlichen“ Welt mit ihnen sympathisiert.

„Wenn du an anderen und dir selbst zweifeln kannst“, erklärte ich, „dann kannst du auch eine Psychose bekommen. Kann jeder. Es gibt sogar Methoden, mit denen vorausgesagt werden kann, in welche Psychose du fallen würdest, wenn du in eine geraten solltest.“ (Ebd., S.118)

Im Titel steckt ein so grundsätzlicher Widerspruch, dass er nicht leicht zu behalten ist, weil man diese beiden Begriffe nie zusammenbringen würde. In diesem Widerspruch befindet sich die Protagonistin mit der Welt. Über die Freundschaft mit einer manisch-Depressiven und einem Schizophrenen, die beide, im Unterschied zur „gewöhnlichen“ Lebenswelt eben auch noch mal besondere Reflektionsflächen für Juli bieten, kommt sie im Laufe der Geschichte mehr und mehr dahin, ihre Persönlichkeitsdisposition nicht mehr als „Fehler“ im Programm zu erleben, sondern als eine andere Schreibweise, über die sich auch nicht alles sagen lässt, die aber kommunizierbar ist.

Wer das Eintauchen in ganz ungewöhnliche Perspektiven liebt, findet hier einen wahren Schatz an neuen Gedankenwegen. Zu viel auf einmal konnte ich nicht davon lesen, denn irgendwann wirkt diese sehr fremde Gefühlsgemengelage auch ganz schön anstrengend. Ist aber eine lohnende Herausforderung.

„Und was magst du an Geschichten?“
Ich dachte ein paar Minuten nach, bevor ich antwortete.
„Ich kann die ganze Welt entdecken, ohne sie anfassen zu müssen. Wenn ich mir Geschichten ansehe, ist das, als wenn jemand anders meine Gedanken nimmt und sie irgendwohin führt.“ (Ebd., S.170)

Niah Finnik: Fuchsteufelsstill, Ullstein Buchverlage, Berlin, 2017

Eine ausführliche Rezension mit Inhaltsbeschreibung ist hier zu finden auf dem Blog von Katja:

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2 Antworten auf „Niah Finnik: Fuchstteufelsstill

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  1. So eine Art Buch habe ich noch niemals zuvor gelesen und stelle es mir ausgesprochen interessant und sicher ebenso unterhaltsam vor. Also setze ich den Titel sofort auf meine Wunschliste. Vielen Dank für den Tipp.

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